Neues: Nachtgeruch.

Sie wachte auf, irgendwann in der Nacht. Da war dieser Geruch, den sie unmittelbar wahrnahm. Nicht die Dunkelheit, nicht die Stille. Noch bevor ihr vollkommen bewusst wurde, dass sie nicht mehr schlief, verfingen sich ihre Sinne in diesem Geruch. Mit ruhigen Atemzügen sog sie ihn ein, als wäre er ein Teil ihres Schlafes. Unter der Bettdecke hatte die Wärme ihres Körpers ein Nest gebaut. Kälte hätte sie unter diesen Umständen weit mehr irritiert. So blieb sie jedoch regungslos liegen und atmete. Ein, aus, ein, aus. Der Geruch schien sich ihr dabei immer weiter zu nähern. Bis sie dachte, sie könne ihn mit ihrer Nasenspitze auf dem Kissen berühren.
Der Geruch war ihr unbekannt. Nur eines sagte ihr unwillkürlich ihr Gefühl - dass er rational nicht zu erklären war. Er stammte nicht von neuer Wäsche oder Kleidung. Es war der eines fremden Menschen. In diesem Moment wäre sie nicht einmal sonderlich überrascht gewesen, wenn sich neben ihr etwas bewegt hätte. Aber da war niemand. Sie war gänzlich allein in der Dunkelheit. Allein mit diesem Geruch. In ihrer Wohnung, ihrem Schlafzimmer, ihrem Bett, die allesamt schon lang keinen Fremden mehr gesehen hatten. Möglicherweise war es gar der Geruch eines Menschen, den es nicht einmal gab. Nur den Geruch gab es. Sie schob den Kopf noch ein wenig vor. Er war nicht unangenehm. Fremd, aber gut. Sie mochte ihn. Und er hatte sich offensichtlich entschieden, in dieser Nacht bei ihr zu sein. Warum, war ihr im Moment egal. Er war da und sie fühlte sich wohl. Sie wollte, dass er bleibt. Weil er passte. Zur Dunkelheit, zu der Wärme unter der Bettdecke, zu ihr. Sie atmete ihn jetzt ganz bewusst. Und dachte an die gefühlte Ewigkeit, in der sie etwas Neues niemals vergleichbar angezogen hatte. Mit jedem Atemzug wurde ihr der Geruch vertrauter. Fast hätte sie nicht mehr einschlafen wollen, um ihm noch eine Weile so nahe sein zu können. Wenn es möglich ist, so dachte sie, könne er für immer bleiben. Atmend und lächelnd fiel sie in einen neuen Traum.